Abbildung1: detaillierte Sortiments-Wachstumsplanung zur Lagerkapazitätsbestimmung (Quelle Schulte Bender & Partner)

Abbildung2: saisonale Spitzen für die Lagerkapazitätsbestimmung (Quelle Schulte Bender & Partner)

Abbildung3: Umsetzungsplanung in einzelnen Schritten und deren Beeinflussung des laufenden Betriebs (Quelle Schulte Bender & Partner)

Veröffentlichungen

Masterplanung: Nur etwas für Konzerne oder auch für Mittelständler?

[Veröffentlicht: Flüssiges Obst Oktober 2021]

 

Der Begriff Masterplan kommt ursprünglich aus der Städteplanung und subsummiert Begriffe wie Rahmenplan, Leitplan, Raumplan, etc. Ein wichtiger Punkt ist, dass es sich hierbei nicht um einen festen (starren) Plan handelt, sondern dass der Masterplan bzw. die Masterplanung in erster Linie ein Verfahren bzw. ein Instrumentarium zur Entwicklung einer zukunftsträchtigen, wettbewerbsfähigen Strategie darstellt.

 

In diesem Sinne sind Ausgestaltung und Vorgehensweise im planenden Unternehmen frei definierbar und müssen „nur“ den individuellen Anforderungen Rechnung tragen. Wesentlich sind dabei die folgenden Punkte:

 

Der Masterplan

  • ist prozessorientiert und datengestützt,
  • stellt alle Bereiche der Supply Chain ganzheitlich bzw. nebeneinander auf,
  • ist anpassungsfähig an sich ändernde Rahmenbedingungen und fortschreibungsfähig über den Planungszeitraum hinaus.

 

Bei genauerer Betrachtung dieser Kernelemente wird schnell klar, dass so ein Masterplan nicht „mal eben aus dem Ärmel geschüttelt wird“. Es handelt sich um ein komplexes Planungskonstrukt, das erhebliche interne und ggf. externe Ressourcen für einen längeren Zeitraum bindet.

 

Was kann einen (mittelständischen) Fruchtsafthersteller dazu veranlassen, dieses Instrumentarium einzusetzen bzw. zu welchem Zeitpunkt ist ein solches Vorgehen sinnvoll und zu empfehlen?

 

Schaut man auf häufig auftretende Szenarien oder Strukturen in dieser Branche, so ist festzustellen, dass es sich in vielen Fällen um regional aktive, „gewachsene“ Unternehmen mit hoher Kernkompetenz im Bereich der Produktion handelt. Der Fokus auf Produktion ist aufgrund des hohen Invests sowie der essentiellen Qualitätsanforderungen historisch scheinbar „gottgegeben“. Die gesteigerten Anforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit - große Safter drängen auf die heimischen Märkte, gleichzeitig bietet die Regionalität sowie gestiegenes Qualitätsbewusstsein der Kunden zusätzliche Potenziale und Chancen – erfordern Anpassungen/Investitionen im Unternehmen auf breiter Front. Ob der Anstoß dabei aus der Logistik durch höheren Flächen- oder Lagerkapazitätsbedarf zur Erfüllung des Kundenservice bzw. Abwicklung des Absatzwachstums kommt oder aus der Produktion durch Relaunch der Anlagen auf den „Stand der Technik“ bzw. Erhöhung der Produktionskapazitäten induziert durch (Sortiments)Wachstum, spielt dabei keine Rolle. Im Zeitalter der Digitalisierung und Industrie 4.0 müssen die Bereiche entlang der Supply Chain detailliert auf einander abgestimmt sein, um Bottlenecks und Ineffizienzen zu vermeiden.

 

Die Grundlage ist eine detaillierte Kenntnis und Analyse sowohl der Prozesse entlang der Supply Chain als auch der hier entstehenden Daten und Mengengerüste.

 

Häufig sind insbesondere die Bereiche Produktion mit ihren Materialeingängen und -flüssen sowie den dahinter liegenden Planungs- und Beschaffungsstrategien von den logistischen Prozessen der Lagerung, Kommissionierung und Distribution entkoppelt.

 

Nach unseren Erfahrungen führt diese organisatorische Trennung der Bereiche, insbesondere bei gewachsenen Strukturen in Gebäude- und Grundstücksnutzung, auch zu entkoppelten Investitionsentscheidungen. Müssen Anlagen relauncht oder erweitert werden, wird die Produktion neu geplant. Die Logistik muss dann häufig mit den Implikationen leben. Steigen die Anforderungen an die Logistikflächen und -gebäude, wird dieser Bereich optimiert (hier gilt jedoch die Maxime, dass die Produktionsabläufe nicht beeinträchtigt werden dürfen). Das Ergebnis ist, dass Prozess verlangsamende Bottlenecks oder umständliche Waren- und Informationsflüsse nicht behoben werden – im Worst Case sogar neu entstehen.

 

Genau hier schlägt die Stunde der Masterplanung

 

Induziert wird sie meistens durch eine erhebliche strategische Neuausrichtung des Unternehmens bzw. durch Absatz/Umsatz schädigende Engpasssituationen und Abläufe – „So geht`s nicht weiter“. Die Masterplanung untergliedert sich nach den Erfahrungen von Schulte Bender & Partner Unternehmensberater demnach (nach etwas vorbereitender Grundlagenarbeit) in fünf Projektphasen:

 

Vorbereitung (Phase 0): Aufnahme und Analyse sämtlicher Prozesse und Informationsflüsse im Unternehmen sowie die Darstellung des Materialflusses.

 

Phase 1: Entwicklung eines mittel- und langfristigen Wachstumsszenarios. Dabei sind mehrere Punkte zu beachten:

  • Beantwortung der Fragestellung, wo (in welchen Sortimenten) wird das Wachstum angestrebt und kann es zu kannibalistischen Effekten kommen.
  • In welchen Teilschritten vollzieht sich das Wachstum – welche Milestones können definiert werden.
  • An welchen Stellen/Milestones werden Indikatoren analysiert, die ggf. (Plan-) Anpassungsstrategien erforderlich machen.
  • Wo liegen, induziert durch Flächen-, Gebäude- oder Grundstücksrestriktionen, Kapazitätsgrenzen, die das Wachstumsszenario absolut begrenzen oder eine „Grüne-Wiese“-Planung erfordern.

Phase 2: Abgeleitet aus historischen Daten, mindestens 3-Jahres-Rückblick, muss der entwickelte Wachstumspfad mit Mengen- und Materialflüssen untermauert werden. Es ist detailliert zu analysieren, welcher Output an welchen Stellen/Aggregaten zu welchen Kapazitäts- und (wichtig!) Produktivitätsanforderungen führt. Hierbei sind neben den reinen Anlagen-, Gebäude-, Lagertechnik- und Freiflächenkapazitäten insbesondere auch die Personalressourcen und die Anforderungen an die Informationsflüsse zu quantifizieren. (siehe unten Abbildung1 und 2)

 

Phase 3: Detaillierte Analyse der Engpasseinheiten. An dieser Stelle muss für jedes Aggregat – ob Anlage, Lagertechnik oder Funktionsfläche spielt dabei keine Rolle – hinterfragt werden, welche Produktivität durch organisatorische, informatorische oder personelle Optimierungen erreicht werden kann, und ab wann sind in welchem Umfang Investitionen erforderlich? Dabei verändern sich ggf. die Anforderungen an vor- und nachgelagerte Prozesse, die simultan geprüft werden müssen. Es ist durchaus möglich, dass plötzlich Engpässe an Stellen entstehen, die zuvor nie in Betracht gezogen wurden.

Von entscheidender Bedeutung in dieser Phase ist, dass bestehende Strukturen hinterfragt werden. Neue Technologien, ob physisch oder informatorisch, können in erheblichem Umfang die Abläufe und Prozesse verbessern und in diesem Rahmen mit minimalen „Reibungsverlusten“ implementiert werden. Seien es Yard Management oder Lagerverwaltung mit Kommissionierunterstützung, Produktionsplanungstools oder Controllinginstrumente, um nur einige zu nennen.

 

Phase 4: Formulierung und Modellierung der „Endausbaustufe“ zur Realisierung des Wachstumsszenarios. Die „Endausbaustufe“ sollte auf einem Wachstumsszenario von mindestens zehn Jahren, besser 15 Jahren basieren und je nach Standort auch potenzielle Grundstückserweiterungen einbeziehen. Im Rahmen des Stufenplans muss unter anderem aufgezeigt werden, ob sich die Potenziale überhaupt vollständig am aktuellen Standort abbilden lassen oder ob ggf. eine „Grüne-Wiese-Planung“ eine realistische Alternative darstellt. Vor diesem Hintergrund gilt es, ein Modell zu entwickeln, das nicht nur die Kapazitäten und Abläufe bei (ggf. unterschiedlichen) Entwicklungen abbildet, sondern auch die (Prozess-)Kosten und deren Entwicklung darstellt. Als die am besten geeignete Kostengröße sind hier die Stückkosten zu nennen. Hieraus wird ersichtlich, dass zu diesem Zeitpunkt die Investitionsplanung ins Spiel kommt. Es ist zwar nicht erforderlich, dass schon konkrete Angebote eingeholt werden bzw. vorliegen müssen, aber parallel zum Wachstumspfad muss hier auch die Budgetierung der Investitionen abgebildet und geprüft werden. Dabei sollten sämtliche Maßnahmen und die daraus resultierenden Kosten in Schwankungsintervallen verifiziert werden. „Nice-to-have“ geht nicht zwingend einher mit einer Senkung der Stückkosten - und diesem Oberkriterium sollte jede Investition nach Möglichkeit standhalten.

Weiterhin gilt es, Milestones auf dem Weg zur Endausbaustufe zu formulieren, an denen zum einen die Stückkostenentwicklung überprüft wird und zum anderen im Vorfeld festgelegte Indikatoren bzw. Kennzahlen generiert werden, die die tatsächliche mit der geplanten Entwicklung überprüfen, um ggf. Änderungen bzw. Verschiebungen vornehmen zu können. Zusätzlich gilt für diese Milestones, dass sie in sich funktionsfähige Ausbaustufen darstellen, an denen notfalls auch die „Reißleine“ gezogen werden kann und trotzdem noch gut strukturierte und flexible Abläufe realisiert werden können. Diese „Reaktionsfähigkeit“ der Planung ist entscheidend für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Es wäre nicht das erste Mal, dass Erweiterungen, die nicht synchron mit der Entwicklung abgestimmt wurden, unternehmensgefährdende Auswirkungen nach sich gezogen haben.

 

Phase 5: Zeitplanung/Umsetzungsplanung. Dieser Schritt hört sich im ersten Moment relativ logisch und einfach an, ist aber in den meisten Fällen von herausragender Bedeutung. Nach unseren Erfahrungen ist der Regelfall eben nicht, dass auf einer „Grünen Wiese“ geplant werden kann oder die Lage und Dimensionierung des aktuellen Grundstücks einen quasi unbegrenzten Planungsspielraum zulassen. Vielmehr ist der Standardfall der, dass die Umsetzung in den bestehenden Strukturen und im laufenden Betrieb – quasi eine Operation am „offenen Herzen“ – durchgeführt werden muss. Es muss also nicht nur geregelt sein, wann in welchem Maße die Kapazitäten zur Verfügung stehen sollen und wie die Gewerke zeitlich abgestimmt sind – es müssen häufig auch detaillierte Szenarien entwickelt werden, wie der Betriebsablauf aufrechterhalten werden kann. D.h. es müssen auch Zwischenlösungen gefunden, bewertet und geplant werden, die exakt in das Ablaufschema passen und die Kosten nicht „aus dem Ruder“ laufen lassen bzw. den Absatz nicht gefährden. Die Maßnahmenpalette ist hier reichhaltig und erfordert zum Teil kreative Lösungen, die nur für bestimmte Zeiträume akzeptabel sind. Im Detail kann das zu vorübergehenden Ausgliederungen bzw. Outsourcing, zu baulichen Zwischenlösungen, zeitweisem Herunterfahren der Bestände oder zur Einschaltung von Dienstleistern führen. Gemein ist all diesen Maßnahmen, dass sie in der Regel zu höheren Kosten führen und demzufolge bei der Investitionsplanung berücksichtigt werden müssen. (siehe unten Abbildung3)

 

Ein Masterplan kommt nie zu früh – gerade auch im Mittelstand

 

Die Masterplanung ist mit diesen Punkten ein Instrument, dass auf der einen Seite die vollständige Unternehmensstruktur bzw. die Supply Chain abbildet und einen Entwicklungspfad managed. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass es sich um ein Instrument handelt, dass mit erheblichem Vorlauf und umfangreichen Planungsressourcen einher geht. Ein Masterplan kann nicht als kurzfristige Lösung zur Beseitigung von Engpässen erarbeitet werden. Dazu sind die Anforderungen zu komplex und die Umsetzung sowohl auf der Zeitschiene, als auch bei der Investitionsplanung zu sensibel. Bei einer ungenauen Planung oder Schnellschüssen in der Umsetzung können Bottlenecks entstehen, mit denen im Vorfeld keiner gerechnet hat und die das komplette System gefährden bzw. durch hohe Investitionen im Nachhinein ineffizient machen. Die Masterplanung erfordert damit ein qualifiziertes Projektteam, das zu jedem Zeitpunkt den exakten Projektfortschritt überblicken und bewerten kann. Transparente Kennzahlen und detailliert ausgearbeitete Zwischenziele sind das „A und O“ einer erfolgreichen Umsetzung.

 

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